Tag 2
Der Schriftsteller und Historiker José de Viera y Clavijo beschrieb die Bardina wie folgt: "... abgesehen von ihrer grazilen Gestalt, ihrer Lebhaftigkeit, ihrem Mut und ihrer Schnelligkeit, besitzt sie jenes feine und seltene Gefühl, das es ihr gestattet, mit dem Menschen in Beziehung zu treten. Die Bardina versteht die Würde des Menschen, kämpft für dessen Sicherheit, gehorcht und hilft ihm, verteidigt ihn und liebt ihn... und weiß genau, wie sie sich die Liebe ihres Besitzers erwerben kann."
Als ich diese bemerkenswerte Einschätzung las, musste ich unwillkürlich an den japanischen Hachikō denken. Nach Betrachtung des Films und damals hochemotional vergossenen Tränen entwickelte sich der Wunsch, solch einen Akita-Hund nach Biancos Weggang als neuen Begleiter zu wählen. Allerdings ging das nun garantiert nicht mir nur so.
Die poesievolle Formulierung "das es ihr gestattet, mit dem Menschen in Beziehung zu treten." gab mir unter Beachtung der Charakterisierungen fein und selten für Guapa genau dieses "Hachikō-Bildnis" und steigerte gleichzeitig die Qualität des (Nach-)Denkens. Ich bin zwar Guapas würdigendes Element, doch sie allein besitzt die Fähigkeit, dies zu artikulieren. Ich kann Liebe zu ihr aufbauen, doch sie allein besitzt die Fähigkeit, diese zu erwidern. Ich kann ihr Schutz bieten, doch sie allein kann mir zeigen, dass sie um mich kämpft.
Auch gefühlvolle Erziehung gibt Guapa Sicherheit. Die Worte nach Christines Spaziergang mit der Schönen am Morgen beeindruckten mich. Ebenso ihre fast euphorischen Worte zum Verlauf dieser ersten Zweisamkeit in der uns umgebenden Natur.
Nach der ausgedehnten Altherren-Wanderung mit Bianco am frühen Nachmittag konnte auch ich mich danach erstmals von der aus früheren Zeiten bekannten Art des Gassigehens überzeugen. Bekannt durch die zurückgelegte, nun wirklich weite Strecke. Unbekannt allerdings im Hinblick auf die Partnerschaftlichkeit im Sinne der völlig zwanglosen Leinenführung.
Bianco akzeptierte den "verlängerten Arm des Menschen" stets nur ungern (wir wissen, wie viele Fehler wir machten). Guapa jedoch (jedweder Hundeschule fern) bewegte sich mit ihrer Schulterpartie - stets an linker Seite - auf Beinebene, verlangsamte im Gleichklang ihren Schritt oder beschleunigte ihn. Faszinierend (und entspannend). Zudem wandte sie ihre Nase ab und an der Wade zu. All dies Zeichen mit dem Menschen "... in Beziehung zu treten"?
Vier oder fünf Mal unterbrach sie recht abrupt diese Harmonie. Stets aber konnte der Auslöser lokalisiert werden: fremde (oder ihr gar nicht fremde) Geräusche, welche sie mit einem Innehalten, einer Bedrohung assoziierte. Ohne nennbaren Augenkontakt: Rückwärtsbewegen → Niederknien → Zusprechen → Motivieren. In diesem Ablauf spürte ich mindestens einen Fehler, konnte ihn hundübertragbar jedoch (noch) nicht ausmachen. Nie aber wurde das Zughalsband seiner fragwürdigen Funktion gerecht.
Inzwischen ist es fast Nacht ich erspare Guapa Stühlerücken und Daunenschlafentzücken, denn sie begiebt sich leisetreterisch auf Erkundung. Sie wird finden, was ihr behagt. Spätestens dann, wenn Bianco - direkt neben ihr - furzt.