Tag 15
In der rechten Spalte befindet sich neben den aktuellen Beiträgen, die auch jederzeit gern gesehene Kommentare beinhalten, die Rubrik "AUFGESTELLTE OHREN". Hierbei handelt es sich um zeitlich vermehrende Stichpunkte, welche zum (Umgangs-)Verhalten oder zur Realisierung notiert sind.
► Alphatier - Teil I
Inken Voges schreibt zu diesem Thema: "Der Hund braucht eine feste Rangordnung - er kann ohne sie nicht sicher leben. Dieser Grundsatz wird oft nicht beachtet. Aus Sicht des Hundes ist das eine Katastrophe, denn ihm fehlt der absolut notwendige `Rudelführer´! Ihm fehlt eine starke Persönlichkeit, die `das Leben im Griff hat´, alle schwierigen Situationen problemlos meistert... - das `Alphatier´, welches das Rudel sicher führt. Übernimmt der Mensch diese wichtige Aufgabe nicht, dann versucht der Hund diesen Job zu übernehmen. Hunde tun dies meist nicht gerne und sind damit auch ständig überfordert. So entstehen unsichere, frustrierte Hunde ohne Grundvertrauen und ohne Selbstbewußtsein.
In der Rangordnung in einem unter natürlichen Bedingungen lebenden Hunderudel leiten die stärksten Hunde (Rüde oder Hündin), die sogenannten `Alphatiere´, das gesamte Rudel. Häufig herrscht noch die Meinung, dieses seien die aggressivsten und `gewalttätigsten´ Hunde - was für ein Irrtum!
Das Rudel wird geführt durch die intelligentesten, konsequentesten und erfahrensten Hunde. Diese sind sehr gelassen, lassen sich schwer provozieren, haben eine hohe Reizschwelle - sind also insgesamt recht `cool´! Wichtige Entscheidungen treffen diese Alphatiere und die übrigen Hunde schließen sich vertrauensvoll an. Die Mitglieder des Rudels werden also geführt (geleitet) und nicht durch eine Gewaltherrschaft unterdrückt oder ständig erniedrigt.
Schwache unsichere Hunde reagieren schneller und extremer auf Provokationen, sie sind am `lautesten´, reagieren oft unangemessen... Wie sieht der Hund einen Menschen, der ständig unbeherrscht herumbrüllt, ihn mit ewigem `Sitz´, `Platz´, `Fuß´ anpöbelt und ihn versucht mit harten Strafen oder ständigen Gehorsamsübungen unterzuordnen? Sie können es sich sicher denken... Auch, wenn diese Hunde aus Angst parieren - ihr Vertrauen und ihren Respekt kann sich der Mensch so nicht verdienen!
Die Alphatiere sind also keine aggressiven Despoten, sondern `gute Vorgesetzte´ und die Mitglieder des Rudels fühlen sich sicher aufgehoben. Übernehmen Sie diese Verantwortung und lernen Sie es, Ihren Job gut zu machen, dann haben Sie einen sicheren und selbstbewußten Hund an Ihrer Seite, der Ihre Entscheidungen nicht ständig in Frage stellt und der zuverlässig folgt.
Anders geht es nicht! Es ist die Verantwortung eines jeden Hundebesitzers, diese Aufgabe zu übernehmen, damit sein Hund nicht unter einer Diktatur oder einer wohlgemeinten Demokratie leidet. Das tut er sonst ganz sicher!"
Unter Berücksichtigung dieses "Leitbildes" stellte sich mir die Frage, ob diese Führungs- oder Vorreiterrolle uneingeschränkt auch gegenüber sehr ängstlichen Hunden gilt, ganz speziell im Fall, wer zuerst das Haus verlässt bzw. betritt - Mensch oder Hund. Die menschliche Logik bzw. die Ausübung der Alphatier-Rolle suggerieren, daß stets der Mensch einen Schritt voraus sein sollte. Im Sinne des Weggehens stimmt das. Doch warum?
Martin Rütter, dessen Arbeit wir sehr wertschätzen, erklärt das wie folgt: "Für unsichere und ängstliche Hunde kann es hilfreich sein, wenn ihre Menschen zuerst die Lage peilen, bevor es dann auf den gemeinsamen Spaziergang geht. Dieses Verhalten kann man bei frei lebenden Hunden beobachten. Sind die Welpen in einem Alter, in dem erste Erkundungstouren anstehen, geht die Hundemutter zuerst aus dem Bau, um zu prüfen, ob `die Luft rein´ ist. ... Ist draußen alles in Ordnung, können die Welpen nachkommen.
► Umsetzung: Guapa läuft mit mir bis zum Gartentor (Ende des "Sicherheitsbereiches"), ich öffne es und verharre einige Augenblicke, schaue mich um, während die Schöne hinter mir wartet. Erst dann geht es los.
Wie aber verhalte ich mich bei der Rückkehr? Betrete ich im Sinne des Alphatieres als erster das Haus? Die Antwort gibt auch hier Martin Rütter: "Anders sieht das bei der Rückkehr `zum Bau´ aus. Hier wartet die Hundemutter, bis alle Welpen wieder in der Höhle sind. Weiß sie ihre Welpen in Sicherheit, geht auch sie hinterher. Genauso können auch Menschen den Spaziergang mit ihrem (ängstlichen) Hund gestalten."
Man sieht, mit der "Logik" ist das so eine Sache. Viel zu oft denkt man "hundevermenschlicht", aber definitiv nicht hündisch.