Tag 1
Ich war gegenüber Guapa sehr resolut, was ihren Schlafplatz in diesem Haus betrifft. Revierruhe und Sicherheit sind für sie wichtig und es wäre ihrer Eingewöhnung absolut nicht förderlich, wenn sie auf dem unbequemen Boden unter dem Küchentisch, noch dazu eingezwängt durch die Niedrigkeit der Stühle, einen entspannenden Schlaf suchte. Zudem sähe sie sich stets Vier- oder Zweibeinern ausgesetzt und tatsächlich gab es auch eine kurze Auseinandersetzung mit Bianco.
Unter dem Schreibtisch auf einem weichen Polster atmet sie seit einer Stunde so beängstigend leise und gleichmäßig, dass ich stets nach ihr schaue. Hellhörig unterbricht sie ihren Schlaf nur dann, wenn ein Auto hupt, eine Autotür schlägt, doch Sekunden später befindet sich ihr Kopf wieder in der Horizontale. Ich bewege mich provokativ sehr oft, verkneife mir kein Hüsteln. Aufstehen, den Raum verlassen, sofort wieder zurück sein. Aufstehen, den Raum verlassen, eine gefühlte Sekunde später zurück sein. Ich weiß ihr Hecheln zu deuten, doch erstaunlichermaßen beruhigt sie das Geklapper der Computer-Tastatur. Wenn sie in dieser ohnehin sehr einschneidenden Phase begreift, dass sie nicht ständig den Kopf heben muss, lediglich um zu erleben, dass das Murmeltier grüßt, wird sie einen ersten, winzigen Schritt in ihre gefühlte Sicherheit wagen.
Ganz bewußt nutzte ich für diesen Lernprozess nach etwa zehn Anläufen auch eine "halbe" Zigarettenpause. Als ich wieder das Haus betrat, fürchtete ich, Guapa unter dem von Stühlen beräumten Küchentisch vorzufinden, doch ganz im Gegenteil lag sie mit zwar erhobenem Kopf, doch ruhig auf ihrem Bett.
Nach der ersten, der zweiten "ganzen" Zigarettenpause war der gewünschte Effekt verpufft, doch an lediglich über einem Finger gänzlich locker geführter Leine, nur flüsternd und ohne jeglichen Zugzwang, vor dem wir schon von Beginn an restlos scheuten, ließ sich die Schöne auf ihr Bett führen und wurde belohnt.
Zum Abschluss des Abends ein bestärkendes Erlebnis: Wieder verließ ich das Zimmer, um duschen zu gehen. Guapa folgte bis zum Küchentisch. Kurzerhand aber machte sie kehrt zu ihrem Bett. Als Belohnung gab es den Stoffknochen, welcher eine Woche lang in meiner getragenenen Kleidung gelegen hatte.
Es wird nicht einfach mit ihr. Ganz und gar nicht einfach. Ich vermeide den Augenkontakt, obwohl sie ihn sucht. Sie genießt Streicheleinheiten, aber einer wirklichen Ebene sind wir meilenweit entfernt. Verhalte ich mich leise? Selbstverständlich. Guapa ist ein Kleinkind unserer Zivilisation. Sie kann nur wachsen in gegenseitiger Rücksichtnahme. "Pschschschschscht"-Laute beruhigen sie - eben wie ein Kleinkind.
Öhm,... vor drei Stunden war das Polster nicht einmal zu Hälfte ausgefüllt. Jetzt ist es restlos eingenommen und sie schnarcht auch noch. Na dann: Gute Nacht!