Tag 13
Mit freundlicher Genehmigung von Stefan, der per Email sehr weiterhilft, um Guapa zu verstehen:
Hi Steffen, ich habe mich sehr über die lange Mail gefreut... Du wirst zum Hundeversteher!
Ich hatte geendet mit der Körpersprache des Hundes. Kennst du Calming Signals?
Neben Drohverhalten und defensiven Aggressionen, die Guapa nicht zeigt, sendet sie als Zeichen der Angst Beschwichtigungssignale, wie du beschreibst zum Beispiel durch angelegte Ohren, eine geduckte, nach hinten gezogene Körperhaltung und eingeklemmte Rute. Beruhigungssignale! Ich tu dir nichts, tu du mir nichts. Wenn du mit ihr an der Leine dennoch diese Fluchtdistanz, also die Distanz, in der dein Hund eine Bedrohung noch akzeptiert ohne zu fliehen, unterschreitest, so weicht der Hund in den meisten Fällen zurück oder flüchtet, falls er die Möglichkeit dazu hat. Würde jetzt die Möglichkeit zur Flucht fehlen und würde eine weitere Distanz, die so genannte Wehrdistanz, vom Gegenüber unterschritten, sähe der Hund letztlich keine andere Möglichkeit mehr, als sich durch Abwehrschnappen und/oder –beißen zu verteidigen. Dabei schießt der Hund meist rasch vor, fasst kurz zu und zieht sich wieder drohend zurück (das nennt man dann auch Drohschnappen). Meist führt dieses Verhalten zum kurzzeitigen Erfolg, die Bedrohung wird vertrieben, zieht sich zurück. Eine Angstbeißerin aber willst du ja sicher nicht.
Die Beschäftigung mit den „Calming Signals“ gehört mit zu den faszinierendsten Dingen für Hundehalter. Hier kann ich dir das Buch von Turid Rugas „Calming Signals - Die Beschwichtigungssignale der Hunde“ nur empfehlen. Warum ich dir demgegenüber Martin Rütter nicht uneingeschränkt ans Herz lege? Nun, vieles wird medienwirksam inszeniert...
Zu deiner Frage, ob es zu früh ist, eine (bitte gute!) Verhaltenstherapeutin einzubeziehen: In den meisten Fällen versuchen Halter mit dem angstbedingten Problemverhalten ihres Hundes anfangs allein klar zu kommen. Handelt es sich nur um einige wenige Auslöser und kommt es zu keinen weiteren negativen Verknüpfungen, kann das Meiden der jeweiligen Situationen durchaus ein Arrangement sein, mit dem Hund und Halter dauerhaft stressfrei leben können. Häufig ist es aber so, dass sich das Verhalten mit der Zeit verstärkt. Viele Hundebesitzer versuchen dann, durch gutes Zureden, Futterbelohnungen usw. ihren Hund zu beruhigen. Geschehen diese belohnenden Methoden aber während der Hund Angst hat, kann dies zu einer Bestärkung des Verhaltens führen und es wird in Zukunft noch häufiger und intensiver gezeigt als bisher.
In vielen Fällen ist der Hund in solchen Momenten aber auch so in seiner Angst gefangen, dass er gar nicht offen für die Zuwendung von Seiten seines Begleiters ist. Hier kann es passieren, dass der Hund durch die Bemühungen des Halters noch mehr unter Druck gerät, seine negative Stimmung noch weiter abrutscht und sich die Angst dadurch ebenfalls weiter verstärkt.
Zu früh also ist kann es nie sein, eine/n wirklich kompetente/n Trainer/in einzubeziehen und Guapa ist sieben!
Alltagstipps:
Führe Rituale in den Alltag mit dem ängstlichen Hund ein: Sich täglich wiederholende Aktivitäten oder Verhalten deinerseits schaffen dem Hund Strukturen. Strukturen wiederum schaffen Sicherheit und sind eine tolle Basis für weitere Maßnahmen, das Angstverhalten zu lindern. Beispiele: Feste Gassizeiten, feste Fütterungszeiten und eben auch Rituale, ganz gleich, welcher Art.
Fördere gemeinsame Aktivitäten, denn diese festigen die Bindung zu deiner Hündin und geben ihr Sicherheit! Es gibt so viele gute Ideen und Methoden für gemeinsame Aktivitäten. Was speziell zu euch passt, entscheidet ihr. Wenn es euch vielleicht einfach keinen Spaß macht, Guapa über Geräte hüpfen zu lassen, dann ist Agility halt nicht die geeignete Methode. Und wenn Guapa vielleicht einfach kein Talent zur Fährtenarbeit hat, dann ist das eben auch nicht die Methode. Auch wenn andere damit wunderbare Erfolge hatten.
Vielleicht ist das Schönste und Vertrauensbildendste für euch ja, zusammen über Baumstämme zu balancieren oder gemeinsam joggen zu gehen.
Oberste Priorität ist immer: Es muss Spaß machen! Hunde (ja, selbst Angsthunde!) sind ausgesprochen „spaßorientierte“ Wesen. Daran können wir uns gerade in der Angsthunde-Therapie ein Beispiel nehmen!
Grüsse und beste Wünsche an euch!
Nach den Spaziergängen (ungewöhnlich für Guapa heute mit Sohnemann), der abendlichen Raubtierfütterung (zwei Hunde, zwei Katzen) brachte Carmen, unsere Nachbarin, zu der wir eigentlich nur sehr wenig Kontakt haben, einen "Präsentkorb" nebst Karte:
wir sind sehr bewegt
über die Geschichte
von Eurem neuen Hund.
Wir wünschen Euch
viel Freude mit ihm
und dass er sich bald wohlfühlt.

Auf Carmens Frage, wie unser neuer Hund denn heiße, antwortete ich: "Guapa." Sie entgegnete lächelnd: "Oh, wie schön! Die Schöne!" Den althergebrachten Spruch "Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere", kann man also getrost relativieren.