Tag 3
Bereits vor etwa einem halben Jahr äußerte Christine den Wunsch nach einem "Zweithund", mich stieß diese Vorstellung gänzlich ab. Ich sah den alternden Bianco, seine Ansprüche an Liebe und Zuneigung, unseren Arbeitsalltag, den hinzukommenden Zeitaufwand und andere verneinende Aspekte. Was ich nicht sehen, mir nicht vorstellen wollte konnte, ist die Bereicherung, welche wir durch Guapa erfahren.
Der Tag begann in der Nacht gegen etwa drei Uhr. Um etwas zu trinken, begab ich mich auf leisen Sohlen vom Schlafzimmer in die Küche. Gleichzeitig begaben sich leise Pfoten aus meinem Büro unter den Küchentisch. Guapa hat also tatsächlich ihren angedachten Schlafplatz akzeptiert und die weichen Daunen vorgezogen. Kluges Mädchen. Auch wenn sie auf Grund der Geräusche noch den Schutzplatz aufsucht.
Der zeitliche Aufwand am Nachmittag ist tatsächlich größer, dennoch stellt dies keine Belastung dar. Gegen 15.00 Uhr meldet sich der Ersthund. Mit dem alten, eigens für ihn gekauften VW erkunden wir tagtäglich neue Gefilde der nahen und weiteren Umgebung. Bianco genießt seit jeher Neuentdeckungen, zeigt in seinem hohen Alter schlußfolgernd wesentlich mehr Laufbereitschaft an Orten, die er nicht kennt. Oftmals hat er zu kämpfen, doch nach (endlich wieder sonnigen) Ruhepausen erforscht seine Nase den Weg nach vorn. Kaffeebohne um Kaffeebohne.
Gegen 17.00 Uhr wird Guapa bajo la mesa (die Schöne unter dem Tisch) hervorgebeten. Sie besitzt die Fähigkeit, sich schnurstracks unter weniger als einem halben Meter im Quadrat (einem der Küchenstühle) zu verkriechen und hier hilft nur gutes Zureden. Ich leine sie an, hocke mich neben sie, flüstere animierend. Es klappt. Auf halber Treppe nimmt sie Rücksicht, wartet, da ich noch abschließen muss. Um ihr einen (vorerst) geregelten Ablauf für ihre Notdurft zu verschaffen, nutze ich den gleichen Weg hin zum Wald. Es klappt.
Manche Tage sind wahrlich nicht geschaffen für Gesang und Heiterkeit. Heute erging es mir so, doch kann das nicht zusätzliche Belastung sein für Guapa in ihrem Status quo. Also (ehrlich gesagt, auch um die "Quietsche-Entchen-Stimme" zu vermeiden, welche ich selbst recht albern fand) sang ich - selbst die Berge hinauf - Wanderlieder. Erstens gar nicht so leicht als Raucher und zweitens gar nicht so leicht als Deutscher, denn die Deutschen kennen meist nur die erste Strophe. Guapa allerdings schien mein Heino-Hinterseer-Verschnitt zu gefallen. Kein einziges Mal blockierte sie! Ganz im Gegenteil erkundete sie ihr Umfeld, schnüffelte sanft, richtete ihr Haupt auf und selbst die Rute entspannte. Nach schon einer Stunde gingen mir die Texte aus, also pfiff ich (erst leise, dann bestimmter). Keine Blockade. Ich sollte mich bei THE VOICE OF ODENWALD anmelden.
Mitten in dieser Pfeiforgie erinnerte ich mich der Schrecksekunde, als ich mit Guapa vor zwei Tagen einfach losrennen wollte. Sie war derart erschrocken, dass wir gleichzeitig zu Eis erstarrten. Ergo suchte ich den schnellen, den schnelleren, den Laufschritt, das Tempo, verlangsamte, lief, trottete. Mehrfach. Keinerlei Blockade. Wahnsinn!
Auf dem Rückweg dann wirkliche Herausforderungen.
Ad eins: Ein fetter Traktor als Entgegenbrummer. Guapa läuft hinter mir. Beruhigende und schnell wirkende Worte.
Ad zwei: Zwei wirklich aggressiv bellende Schäferhunde in einem Jeep mitten auf dem Feldweg, offene Heckklappe, Gitterbox. Zudem hinter uns zwei Wanderer. Guapa nimmt ihre Verweigerungshaltung an während die Fahrerin, die sich am Feld zu schaffen macht, die Situation recht schnell erkennt und fragt, ob sie die Klappe des Autos schließen soll. Ich verneine.
Das übliche Prozedere (Rückwärtsbewegung, Niederknien, Motivation) fünf Mal über die hindernde Distanz von vielleicht zwanzig Metern. Die Schöne akzeptiert und wirkt gelöst danach.
Ad drei: Drei entgegenkommende Hunde nebst drei Halterinnen. Eine große Hündin ist nicht angeleint, sprintet auf Guapa zu, vor der ich mich aufbaue. Heino in tiefsten Tönen kann jede treffen. Sie trottet zurück. Die Damen wollen uns aus dem Weg gehen, doch ich bitte sie, dies nicht zu tun. In der Menge legt sich Guapa ängstlich ab, ich streichle sie, während ich den Halterinnen die Situation erkläre.
Fünf Meter weiter: "Siehst du, Papa passt auf dich auf!" Keine Blockade, sondern ein federnder Gang.
Als wahrer Mensch sollte man nie etwas einfordern, sondern sich mit wahrer Hingabe auf das einlassen, was einem geschenkt wird.
Soooo schön
Andrea und Ella (die Guapa immer noch vermissen, die eine den federnden Gang und die andere das Schlecken übers Ohr....)
Achja, Ella ist ganz schön verfressen, aber ich kenne da noch jemanden. :-)
Bitte schreib uns nochmal wie Du wann gefüttert hast.