Tag 58
Beginnen wir ganz am Ende des Tages. Es ist jetzt fast 22.30 Uhr und wir fünf haben den abendlichen Spaziergang beendet. In Rücksicht auf Bianco nehmen wir nicht mehr die Treppen zum Haus, sondern schleichen uns über die fast ebenerdige Terrasse zum Wohnzimmer hinein. Die schmutzigen Schuhe ziehe ich noch auf der Terrasse aus und trage sie - lediglich sockenbestrumpft - zum Flur, um mir noch eine Zigarette zu holen. Kaum zurück, sind die Schuhe verschwunden. In meinem Alter zweifle ich zuerst an mir selbst, gehe erneut zur Terrasse, um sie dort (natürlich) nicht zu finden. Guapa hat beide längst geklaut und in ihrer "Hundehütte" unter dem Küchentisch eingelagert.
Auf den noch wenigen unbebauten Wiesen entledigt sich Bianco vorher seiner Würstchen. Guapa ist seinem Geschäft derart nasennah, daß ich Angst habe, sie könne eines plötzlichen Todes sterben oder zumindest nicht nur braune Augen haben. Ganz im Gegenteil versucht sie, es dem Alten gleich zu tun, sozusagen, um noch eins draufzusetzen. Überhaupt ahmt sie stets und ständig das Markierverhalten nach. Hierzu gehört auch das angehobene Hinterbein, obwohl das bei Mädchen natürlich etwas albern ausschaut.
Mit unbeschreiblich faszinierend schwingenden Hüften und hoch aufgerichteter Rute ist die Schöne unsere Anführerin in der Dunkelheit, Detektiv und Katzenschreck zugleich. Alle Grundstückseingänge werden penibel abgeschnüffelt, kommen Carlo oder Fips ihr zu nahe, testet Guapa ihre Stärke, indem sie kreisförmig Anlauf nehmend auf die Katzen zuspringt. Während Fips das Spiel mitmacht, sitzt Carlo einfach nur da und schaut sie an nach dem Motto: Na, Mädchen, wieder auf Speed?
Geschätzte drei Kilometer hat Bianco schon am Nachmittag mit Guapa zurückgelegt. Es ist mehr als eine Ermessensfrage, ob man die Beiden zusammen ausführt. Immer aber ist im Solo der berchtigte Zweifel beinhaltet, ob es nicht besser gewesen wäre, das Doppel zu bevorzugen. Bianco ist zwar unendlich langsam, aber Guapas Sicherheit in seiner Nähe ist schlicht und ergreifend fühlbar, sichtbar. Mehrfache Längsrollen im hohen Gras? Standard! Gemeinsam da die Nase eintauchen? Ja! Kopf auf Schulter und anstößiges Verhalten? Immer! Wasser aus einer Pfütze trinken, während der Alte durch genau diese spritzend hindurchwatet? Cool! Einfach nur mal auf der Wiese unter einem Apfelbaum liegen und im Doppelpack hechelnd den Schatten genießen? Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm! Nahezu elektrisiert wirkende Sprünge zu einem Mauseloch oder aus den tiefgrünen Halmen heraus? Spätestens hier beobachtet auch Bianco einfach nur und schaut sie an nach dem Motto: Na, Mädchen, wieder auf Speed?
Nur eine falsche, unbedachte Bewegung meinerseits löst sofort den Angstreflex in der Schönen aus. Für Bruchteile von Sekunden zwar, aber eindeutig. Ausgelassenheit ist noch lange keine Kontenance. Aber die Kilometer summieren sich definitiv - auf wirkliche Annäherung.